CO2 Klimabilanz eines Autolebens

von Christian Sch… 30/10/2019
Szenethema
CO2 Klimabilanz eines Autolebens

CO2 Klimabilanz eines Autolebens

Unterschiedliche ökologische Fußabdrücke: Die Life Cycle Analyse des ÖAMTC zeigt detailliert die Auswirkungen verschiedener Antriebskonzepte.

von günter rauecker

In der Diskussion über den Klimawandel spielt der Verkehr naturgemäß eine große Rolle. Vielfach dominieren dabei jeweils Extrempositionen, die Zwischentöne zwischen Schwarz und Weiß kommen meist zu kurz. Während manche von E-Autos als der alleinigen Zukunft für individuelle ­Mo­bilität überzeugt sind, verdammen andere sie: Die Produktion der Akkus sei so CO2-intensiv, dass man Hunderttausende Kilometer elektrisch abspulen müsse, um diesen „Rucksack“ gegenüber herkömmlichen Autos abzubauen, so die Behauptung.

Um eine faktenbasierte Diskussion zu ermöglichen, hat der ÖAMTC gemeinsam mit Joanneum Research in Graz ein Expertentool entwickelt, mit dem der ökologische Fußabdruck unterschiedlicher Antriebskonzepte berechnet werden kann, beginnend bei der Produktion über den Betrieb bis hin zum Re­cycling – eine „Life Cycle Analyse“.

Dabei gibt es kein „Standard-Auto“. Auch innerhalb eines Antriebskonzepts kann vielfältig differenziert werden: Gewicht, Leistung, Verbrauch, die Akku-Größe bei E-Autos – das sind nur einige der Stellschrauben, an denen gedreht werden kann. So richtig spannend wird es, wenn bei E-Autos unterschiedliche Stromerzeugungsarten berücksichtigt werden oder bei der Brennstoffzelle die Herstellungsmethode des Wasserstoffs differenziert wird.

Zusätzlich können auch Zukunftsszenarien berechnet werden, bei denen etwa umweltfreundlichere Produktionsverfahren oder sinkender Verbrauch einbezogen sind.

Während bei herkömmlichen Benzin- und Diesel-Verbrennungsmotoren eine bessere Klimabilanz eigentlich nur durch kleinere verbrauchsärmere Fahrzeuge erreicht werden kann, sind die Unterschiede bei E-Autos durch die Art der Stromerzeugung beträchtlich. In Österreich mit seinem hohen Anteil an regenerativem Strom ist der CO2-Rucksack aus der Produktion relativ rasch abgebaut.

In Polen, wo der Strom vielfach aus Kohlekraftwerken kommt, muss das gleiche E-Fahrzeug dazu viel länger betrieben werden. Riesig ist auch der Unterschied bei der Brennstoffzelle: Wasserstoff aus Erdgas kann mit H2, das aus der Elektrolyse von Wasser mit Öko-Strom gewonnen wird, nicht mithalten.

Aber wo soll die Energie für die Erzeugung der alternativen Kraftstoffe herkommen? Mit dem weiteren Ausbau der regenerativen Stromproduktion wird immer öfter mehr Strom erzeugt als verbraucht oder verteilt werden kann. So müssen in Deutschland bereits heute immer wieder Windenergieanlagen vom Stromnetz abgekoppelt werden, weil die Leitungskapazitäten nicht mehr ausreichen.

Alleine im ersten Quartal 2019 konnten so 3,23 Milliarden Kilowattstunden nicht produziert und eingespeist werden. Damit, so rechnet der deutsche Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft vor, könnten sechs Millionen E-Autos ein Vierteljahr lang fahren. Ein Zukunftsszenario rückt damit ­näher: Bei Stromüberschuss wird direkt vor Ort auf Erzeugung von Wasserstoff, E-Fuel oder E-Gas umgeschaltet. Damit kann der Klima-Fußabdruck bestehender Autos deutlich verkleinert werden.

Mit der „Life Cycle Analyse“ des ÖAMTC lässt sich der zukünftige ökologische Fuß­abdruck der unterschiedlichen Antriebsarten schon heute sehr genau berechnen. 

„Auf fundierte Daten kommt es an“
Interview mit Thomas Hametner, Cheftechniker des ÖAMTC

Was bringt eine Life Cycle Analyse von Antriebssystemen?

In den Diskussionen über die Treibhausgase, die der Verkehr verursacht, wird vielfach mit Zahlen argumentiert, die nicht belegt sind. Unser Experten-Tool gibt einen Überblick über die verschiedenen Antriebsarten, der bei der Produktion beginnt, den Betrieb über verschiedene Laufzeiten abdeckt und auch das Recycling einschließt. Und das Wichtigste ist: Die Zahlen beruhen auf den derzeitigen wissenschaftlichen und technischen Fakten.

Wie detailliert lassen sich die Angaben bei der Berechnung eingeben?

Mit mehreren Hundert Parametern kann ein Fahrzeug sehr genau definiert und berechnet werden. So wird beispielsweise bei E-Autos berücksichtigt, wie umweltfreundlich die Herstellung der Akkus oder wie hoch der Anteil an Schnellladungen ist. Der hat Einfluss auf die Lebensdauer. Außerdem kann man einstellen, was mit den Akkus nach dem Gebrauch im Auto passiert. Denn es macht in der Öko-Bilanz einen Unterschied, ob der Akku sofort recycelt oder noch als stationärer Stromspeicher verwendet wird. Ändern sich technische Gegebenheiten, lässt sich das in unserem Tool sofort abbilden und neu berechnen.

Was sind für Sie die interessantesten Erkenntnisse für die Zukunft?

Für die Herstellung von Strom, Wasserstoff oder E-Fuels benötigt man im Vergleich zu fossilen Kraftstoffen sehr viel Energie. Und die muss unbedingt ökologisch und regenerativ hergestellt werden, sonst bringen die neuen Kraftstoffe keine positiven Auswirkungen auf die Klimabilanz. Das ist die große Herausforderung für jede Branche – nicht nur beim Verkehr.

Wenn man zum Beispiel ein Brennstoffzellenfahrzeug betrachtet: Derzeit wird der Wasserstoff für die österreichischen H2-Tankstellen zu 100 Prozent aus Erdgas produziert. Würde der Wasserstoff mit Windstrom durch Elektrolyse aus Wasser gewonnen, wäre die Klimabilanz der Brennstoffzelle sehr gut.

Dass es für die Klimabilanz von E-Autos einen großen Unterschied macht, wie der Strom erzeugt wird, ist klar. In Österreich mit seinem hohen Anteil an Öko-Strom macht ein E-Auto viel mehr Sinn als etwa in Polen oder China mit überwiegend Strom aus Kohlekraftwerken.

Berechnung und Analyse

Treibhausgase. Das ÖAMTC-Expertentool berücksichtigt die klimarelevanten CO2-, Methan- und N2O-Emissionen und rechnet sie in CO2-Äquivalente um. Für die Grafik wurden Fahrzeuge und deren Verbrauch berechnet, die vom auto touring getestet wurden. Bis auf den noch nicht erhältlichen Škoda Citigo-e wurden also die praxisgerechten Testverbräuche herangezogen.

1) Bei Benzin- und Diesel-Fahrzeugen zeigen sich Unterschiede vor allem durch Fahrzeuggröße und Verbrauch. Große Autos haben über ein Fahrzeugleben gesehen fast einen doppelt so großen Ausstoß von Treibhausgasen.

2) Während ein kleines E-Auto in Österreich mit seinem hohen Anteil an Öko-Strom sehr umweltfreundlich unterwegs ist, ist der CO2-Ausstoß beim Betrieb in Polen mehr als drei Mal so hoch.

3) Während das Recycling der anderen Fahrzeuge bei den Treibhausgasen fast ein Nullsummenspiel ist, reduzieren sich durch Akku-Wiederverwendung als stationärer Stromspeicher oder das Recycling die Belastungen bei E-Autos sogar.

4) Berechnung für ein Gas-Auto: oben mit herkömmlichem Erdgas, darunter mit Compressed Renewable Gas (CRG) aus Biomasse.

5) Wasserstoff aus Erdgas für Brennstoffzellen-Autos hat eine ungleich höhere Klimabelastung als H2, das mittels Windstrom durch Elektrolyse aus Wasser gewonnen wird.

6) Extreme Bandbreite bei den sogenannten E-Fuels am Beispiel von synthetischem Diesel: Auf den Strom kommt es an.

Quelle: ÖAMTC/auto touring, 09/2019“