Unter den Lack geschaut - CarScan-Technologie

von Christian Sch… 28/09/2020
Szenethema
Unter den Lack geschaut - CarScan-Technologie

Quelle: Oldtimermarkt Österreich Spezial 10/2020 - c.schamburek@oldtimer-markt.com

Unter den Lack geschaut - die ganze Wahrheit

Ein Gutachten kann viel aussagen, der Blick des Fachmannes sieht vieles, aber wie es unter dem Lack wirklich aussieht, steht auf einem anderen Blatt geschrieben. Hier hilft die Thermografie, sich macht sichtbar, was bisher unsichtbar war.

Egal ob beim Gebrauchtwagenkauf, bei der Erstellung eines Gutachtens, bei Leasingrückläufern, Ankauf des lang gesuchten Oldtimers oder Liebhaberfahrzeuges, einen Vorschaden nicht zu entdecken ist nicht nur ärgerlich, sondern hat wesentlichen Einfluss auf die Bewertung.

Im Rahmen einer Karosserie-Instandsetzung, Restaurierung oder nach Schadensfällen werden oft kreative Wege der Reparatur gegangen. Statt Decklack und Grundierung auf planem Metall sind zusätzliche unnötige Lackschichten, verbeultes Blech und Spachtelmasse ohne Ende oft die Realität. Ebenso interessant sind in diesem Zusammenhang Kontrollen einer Unfallinstandsetzung oder die Validierung der Aussagen zur «Unfallfreiheit« eines Fahrzeuges.

Das Finish scheint perfekt, Mogeleien sind mit dem bloßen Auge nicht erkennbar, aber zur genauen Beurteilung müsste man unter die Lackierung blicken können.

Die Thermografie kann das!

Selbst mit Testmagneten und dem Schichtdickenprüfgerät findet der Fachmann die Stellen an der Karossiere, an denen schon einmal Arbeiten durchgeführt wurden, nicht immer zuverlässig. Grundsätzlich ist an fachlich gut ausgeführten Arbeiten nichts auszusetzen, ob aber nur nachlackiert oder das Blech nach allen Regeln der Kunst wieder in Form gebracht wurde, lässt sich oft nur schwer beurteilen.

Das aktive Thermografie-Verfahren bietet diese einzigartige Möglichkeit einen wirklichen Blick unter den Lack zu werfen und «die ganze Wahrheit« ohne Beschädigung und in kürzester Zeit sichtbar zu machen.

Im Unterschied zur passiven Thermografie, die beispielsweise bei der Energieanalyse von Gebäuden eingesetzt wird – die Wärme geht in diesem Fall vom Objekt aus und wird von einer Wärmebildkamera erfasst – wird bei der aktiven Thermografie zuerst Energie in das Objekt eingebracht damit diese anschließend reflektiert wird. Die Reflexion nimmt dann eine hochsensible Infrarotkamera auf. Eine speziell entwickelte Software zeigt das Ergebnis in Form einer detaillierten farblichen Bilddarstellung und Auswertung der aufgenommenen Bilder. Die Interpretation erfolgt durch den sachverständigen Spezialisten.

Die Anwendung bei Fahrzeugen – ursprünglich kommt diese aus der Luft- und Raumfahrt – hat DI Volker Carl entwickelt. Er prüfte damit ursprünglich Turbinenschaufeln von Kraftwerken, Satelliten, das Carbon-Monocoque des Lamborghini Aventador und vieles andere, bis er schließlich diese Technologie auf die Fahrzeuganalyse weiterentwickelt hat.

Starke Fotoblitze belichten das Fahrzeug für Sekundenbruchteile und eine hochsensible Wärmebildkamera misst die Auskühlung der Fahrzeugpartien. Unterschiedliche Metalle, Kunststoffe oder Carbon zeigen dabei ein unterschiedliches Abkühlverhalten, ebenso wie zwei Schichten Lack oder Spachtelmasse. Mithilfe der Fotoblitze lässt sich rund 500µm in die Schichten hineinschauen. Soll tiefer analysiert werden, kommen Hochleistungs-Halogenscheinwerfer zum Einsatz. Diese haben eine deutlich stärkere Energieanregung und damit lassen sich größere Reparaturen oder Blecharbeiten in der Tiefe gut aufspüren. Der Lack wird bei diesem Verfahren in keiner Weise beschädigt. Die eingebrachte Energie führt zu einer Oberflächenerwärmung von wenigen Grad Celsius und ist damit deutlich geringer als bei Sonneneinstrahlung.

Die Kombination von Fotoblitz- und Halogenanwendung ist eine perfekte Ergänzung und ergibt ein umfassendes Bild am Computer, wo die aufgenommenen Einzelbilder der beiden Verfahren und deren Abkühlkurven anschließend übereinandergelegt und berechnet werden. So lassen sich von der obersten Schicht bis in tiefste Blechstrukturen alle Teile der Karosse einschätzen.

Das unterschiedliche Farbspektrum auf den generierten Computerbildern zeigt ein umfassendes Bild des Zustandes «unter dem Lack«. Die einzelnen Farben stehen für unterschiedliche Temperaturverläufe. Eine dünne (Blech-)Schicht nimmt weniger Energie auf als eine dicke und gibt sie entsprechend auch wieder schneller ab. Genauso verhält es sich mit unterschiedlichen Materialien. Spachtel verhält sich anders als Zinn, er speichert Wärme bei gleicher Schichtdicke länger.

Es gibt nicht viele Voraussetzungen, die bei einer Thermografie-Untersuchung erfüllt werden müssen. Die Temperatur in der Messsituation sollte nicht unter fünf bis zehn Grad Celsius liegen – ideal sind 20 Grad Celsius. Das Fahrzeug muss auch nicht frisch gewaschen sein und ein paar Regentropfen sind auch kein Problem.

Mit dem neuen ECO 2.0 System, das selbständig die Fahrzeugseiten entlangfährt ist die Untersuchung beider Fahrzeugflanken sowie Front und Heck in rund 30 bis 60 Minuten erledigt.  Das Auto muss nur vor dem Gerät geparkt werden, der Rest geht vollautomatisch und ohne Kontakt mit der Karosserie. Fehler oder gar Schäden sind schnell gefunden. Geeignet ist das System für Stahlblech, Aluminium, Kunststoffe und sogar folierte Oberflächen und es ist mobil einsetzbar.

Aber für wen ist die Thermografie interessant?

Generell für jeden, der bei einem Fahrzeugkauf, im Rahmen eines Gutachtens, bei Leasingrückläufern, Sportwagen oder Oldtimern mehr wissen will als der Blick auf die «Oberfläche« preisgibt. Speziell auch für Auktionshäuser kann dies interessant sein, da mit einem Thermografie-Gutachten dem potentiellen Käufer weit mehr über den Zustand des Fahrzeuges mittgeteilt werden kann als bisher geübte Praxis ist. Auch Verkäufer können mit einer Thermografie-Analyse den Zustand ihres Fahrzeuges dokumentieren und damit für potentielle Käufer eine solide Faktenbasis schaffen. Die Kosten einer einfachen Thermografie liegen bei rund 150 bis 250 Euro, ist aber jeden Cent wert, da die Analyse vor teuren Fehlkäufen bewahrt, sollte das Fahrzeug entgegen der Beschreibung doch nicht frei von Mängeln sein.

Das erste Thermografie-Zentrum Österreichs entsteht im CLASSIC DEPOT Wien, die geplante Eröffnung ist Ende Oktober 2020.

TEXT: Christian Schamburek

FOTOS: AT-SCAN

 

KASTEN

FAZIT:

Das Thermografie-Verfahren macht sichtbar, was bislang unsichtbar war und zeigt «die ganze Wahrheit«. Ob gut ausgeführte Nachlackierung, neu eingesetzte Blechteile, Spachtelarbeiten, auf Blech, Alu oder anderen Materialien - das Analysetool zeigt gnadenlos alles auf. Selbst der Austausch von kaputten Karosserieteilen durch Neu- oder Gebrauchtteile wird entdeckt. Das Preis-Leistungsverhältnis dieser Technologie ist hervorragend und mit einer Dauer von etwa einer Stunde bietet die Thermografie einen umfassenden tiefen Einblick wie sonst kein anderes Prüfverfahren. Wer also bei seinem Traum-Automobil auf Nummer sicher gehen möchte, findet in der Thermografie das ideale Instrument um beim Kauf Fehler zu vermeiden, Risiken zu senken oder als Verkäufer ein Höchstmaß an Vertrauen zu schaffen. Kosten je nach Komplexität: 150 bis 250 Euro. Weitere Infos in der Redaktion unter c.schamburek@oldtimer-markt.com  +43 664 620 11 10